13. Studienfahrt „Schlösser und Gärten im nördlichen Böhmen“

In der Woche vom 27. August bis 3. September 2017 führte die Historische Kommission für den Kreis Neustadt/OS (HKKNOS) ihre 13. Studienfahrt, unter dem Motto „Schlösser und Gärten im nördlichen Böhmen“, durch. Dieses Jahr besuchten die 23 Teilnehmer der Reise die mit Schlesien benachbarte Grenzregion im nördlichen Tschechien.

Die in Wadersloh, Erfurt und Dresden zugestiegen Reisenden erreichten bereits am späten Nachmittag des ersten Tages Tetschen (Děčín), wo für die nächsten drei Nächte im Hotel „Česká Koruna“ Quartier bezogen wurde. Kurz darauf stieß unser tschechischer Reiseführer Peter Kumpfe zu uns. Da es bis zum Abendessen noch etwas Zeit blieb, führte uns Peter, ein Deutschböhme und bekannter Radiomoderator des MDR, außerplanmäßig zum unweit des Stadtzentrums gelegenen, in den letzten Jahren grundrenovierten Schloss der Familie von Thun.

Tetschen (Děčín)

Am darauffolgenden Montag führte uns die Reise bei schönstem Spätsommerwetter planmäßig nach Leitmeritz (Litoměřice), wo eine Stadtführung stattfand.

Leitmeritz (Litoměřice)

Danach ging es zum Schloss derer von Waldstein nach Dux (Duchcov), wo Ende des 18. Jahrhunderts der berühmte venezianische Frauenheld, Abenteurer und Schriftsteller Giacomo Casanova seine letzten Lebensjahre verbrachte und seine bis heute bekannten Tagebücher niederschrieb.

Dux (Duchcov)

Den Tag beendeten wir mit einer Auffahrt mit dem Sessellift auf den 807 Meter hohen Mückenberg, von wo sich ein faszinierender Blick auf das Umland bot.

Mückentürmchen (Komáří vížka)

Am nächsten Tag führte uns Peter durch „Wallensteins Land“. So stand zunächst auf dem Programm der Besuch des Schlosses Friedland (Frýdlant), nach dem der einstige Generalissimus des 30-jährgen Krieges, Albrecht von Wallenstein (von Waldstein), den Titel eines Herzogs von Friedland führte.

Friedland (Frýdlant)

Nach einer Mittagspause am prächtigen Ring von Reichenberg (Liberec), besichtigten wir ein weiteres Schloss, das sich einst im Besitz von Wallensteins befunden hat.

Reichenberg (Liberec)

Es war das unweit von Deutsch Gabel (Jablonné v Podještědí) gelegene Schloss in Lämberg (Lemberk), das zuletzt der Familie Clam-Gallas gehörte und dessen Räume überfüllt sind mit ursprünglicher Inneneinrichtung aus verschiedenen Epochen der vergangenen vier Jahrhunderte.

Lämberg (Lemberk)

Auf der Rückreise ins Hotel fanden wir noch Zeit für einen Halt an der prächtig ausgestatteten Basilika in Deutsch Gabel, in der die Reliquien der heiligen Zdislava von Lämberg, der Schutzheiligen der Armen und Leidenden in Böhmen, verehrt werden.

Am Mittwoch verließen wir das Hotel in Tetschen und besuchten Schlösser und Burgen im „böhmischen Paradies“. Zunächst ging es nach Sichrow (Sychrov), zum Schloss der einst aus Frankreich nach Böhmen emigrierten Familie de Rohan. Das malerische Schloss mit seinen Elementen aus dem englischen Baustil dient häufig als Kulisse für zahlreiche Filmproduktionen, u.a. auch bei einem James-Bond-Film.

Sichrow (Sychrov)

Danach fuhren wir nach Münchengrätz (Mnichovo Hradiště), wo wir das im Originalzustand phantastisch ausgestattete Schloss besichtigten, das vom 17. bis zum 20. Jahrhundert der Familie von Waldstein gehörte. Unweit des Schlosses befindet sich heute die letzte Ruhestätte des berühmtesten Sprosses der Familie, des bereits genannten Generalissimus Albrecht von Wallenstein/Waldstein.

Münchengrätz (Mnichovo Hradiště)

Nachmittags fuhren wir, gewissermaßen weiterhin auf Wallensteins Spuren, nach Jitschin (Jičín), der Residenzstadt des Herzogtums Friedland.

Jitschin (Jičín)

Am Abend bezogen wir unsere Zimmer im Hotel „U Beránka“ in Nachod (Náchod).

Am letzten Tag des August ging es in den Osten Böhmens, zuerst in eine der schönsten Renaissancestädte Tschechiens, nach Neustadt an der Mettau (Nové Město nad Metují). Nach einer Führung durch das, Anfang des 16. Jahrhunderts gegründete und absolut bezaubernde Städtchen, konnten wir das am Rande des Marktplatzes gelegene und sich bis heute im Besitz der Familie Bartoň von Dobenín befindende Schloss mit seiner ursprünglichen Innenausstattung besichtigen.

Neustadt an der Mettau (Nové Město nad Metují)

 Die Mittagspause verbrachten wir im pulsierenden Königgrätz (Hradec Králové), von wo wir nachmittags in die mit dieser Universitätsstadt konkurrierende Bezirkshauptstadt Pardubitz (Pardubice) fuhren. Auch hier besuchten wir das königliche Schloss, welches ein seltenes Beispiel des fließenden Übergangs eines Burgenbaus in eine Schlossanlage darstellt, und wo in drei Rittersälen noch Fragmente früherer Wandmalereien aus der Frührenaissance zu sehen sind.

Pardubitz (Pardubice)

Auf der Rückkehr zum Hotel machten wir noch Halt an verschiedenen Denkmälern des weitläufigen Geländes der Schlacht von Königgrätz, in der im Jahre 1866 preußische Truppen die Armeen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie besiegten, womit sie das einstige deutsche Kaiserhaus der Habsburger aus dem neuem Deutschem Reich der Preußen herausdrängten.

Schlachtfeld von Königgrätz (Hradec Králové)

Wurden wir seit unserer Einreise nach Böhmen jeden Tag vom schönsten Sommerwetter verwöhnt, so schlug dieses in unserer letzten Nacht in Tschechien schlagartig um. Als wir am Freitagmorgen das Schloss in Nachod besuchten, waren Jacken, Regenmäntel und Regenschirme unerlässliche Begleiter. Dennoch waren wir auch hier wieder überwältigt, sowohl von der äußeren Optik als auch über die innere Ausstattung des sich bis zum Endes des Zweiten Weltkrieges im Besitz der Familie Schaumburg-Lippe befindenden Schlosskomplexes.

Nachod (Náchod)

Dann verließen wir Böhmen und begaben uns, die Grafschaft Glatz und das Neißer Bistumsland durchquerend, nach Neustadt in Oberschlesien. In Neustadt/OS fand am Abend im Hotel „Oaza“ die traditionelle Wiedersehensfeier mit unseren Freunden, Vereinsmitgliedern aus Polen, Vorständen befreundeter Institutionen und Vereine und örtlichen Politikern statt. Zwar haben sich die Stadtvertreter von Neustadt/OS wegen eines anderweitigen Termins dieses Mal entschulden müssen, stattdessen kamen starke Abordnungen der Deutschen Freundschaftskreise aus Neustadt/OS, Oberglogau-Hinterdorf und zum ersten Mal auch aus Oberglogau-Weingasse zu unserem Fest. Die Feier wurde bereichert durch musikalische Darbietungen des Chors der Deutschen Minderheit aus Neudorf.

Die Reisegruppe

Am letzten Tag standen mehrere Termine gleichzeitig auf dem Programm. Während die meisten Teilnehmer der Reise vormittags durch Herbert Schindler, der mit Gattin privat nach Neustadt anreiste, durch „seine“ Stadt Neustadt geführt und fachkundig über alle wichtigen Punkte und Gegebenheiten aufgeklärt wurden, begaben sich Ralph Wrobel und Andreas Smarzly nach Oberglogau. Hierhin wurde der Vereinsvorstand von unserem Vereinsfreund, dem oberglogauer Museumsdirektor Aleksander Devosges-Cuber eingeladen. Dieser hielt anlässlich eines Familientreffens von 65 Mitgliedern der Familie von Oppersdorff in Oberglogau, im dortigen Rathaus einen Vortrag über das Mäzenatentum dieser Familie in den vergangenen Jahrhunderten. Wieder zurück in Neustadt/OS führte der Vorstand der HKKNOS, in Anwesenheit interessierter Vereinsmitglieder und Mitreisender, die offizielle Übergabe von Ausstellungsstücken aus der aufgelösten Neustädter Heimatstube in Northeim an das Museum in Neustadt durch.

Im Museum des Neustädter Landes (v.l. Prof. R. Wrobel, A. Smarzly, Dr. W. Dominiak, R. Matulla, S. König, Museumsmitarbeiter, M. Gliese)

Besonders unsere beiden Mitglieder Sebastian König und Maik Gliese haben zu dieser feierlichen Übergabezeremonie beigetragen, indem sie neben zahlreichen Kartons mit verschiedensten Exponaten, vor allem den über 300 kg schweren Grabstein des Pfarrers von Neustadt, Hermann J. Hübner (+1934), aus Northeim nach Neustadt (zurück)transportiert haben. Sowohl der Vereinsvorsitzende Prof. Wrobel als auch der Direktor des Museums in Neustadt Dr. Dominiak zeigten sich in ihren Ansprachen glücklich über die freundschaftliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit der HKKNOS und des Museums in Neustadt in den letzten Jahren, welche gemeinsame Projekte und Aktionen wie diese ermöglichten. Diese Veranstaltung wurde von der lokalen Presse und dem Regionalfernsehen verfolgt, welche darüber ausführlich berichteten (siehe Minuten 02.33-04.45:

http://tvprudnik.pl/35-tabs/tabs-aktualnosci/1081-wydarzenia-pogranicza-35.html).

Am Samstagnachmittag begab sich die Reisegruppe nach Oberglogau, wo Ralph Wrobel eine Führung durch die historisch unglaublich interessante Stadt machte.  Danach begaben wir uns zu unserem letzten Programmpunkt während dieser Studienfahrt, nämlich zum 25. Beethovenfestival in Oberglogau, zu dem wir ebenfalls von unserem Vereinsfreund und Veranstalter dieses traditionsreichen Festivals, Aleksander Devosges-Cuber, eingeladen worden waren. Im neurenoviertem großen Saal des Kulturhauses von Oberglogau wurden wir über zwei Stunden lang vom bekannten Kammerorchester „Leopoldinum“ aus Breslau mit Serenaden und Pianokonzerten von Mozart, Karłowicz und Dvořak verzückt.

Am Sonntag früh verließen wir Neustadt und unser Fahrer Rolf von „Osburg-Reisen“ brachte uns alle mit seinem modernen Reisebus zuverlässig und pünktlich wieder zurück nach Hause.

Andreas M. Smarzly

Fotos: Ralph Wrobel