Der diesjährigen Jahreshauptversammlung der Historischen Kommission für den Kreis Neustadt/OS ging am Vortag ein historisches Seminar voran, das in Kooperation mit dem Kulturreferenten für Oberschlesien, Dr. Vasco Kretschmann, durchgeführt wurde. Dafür gab es Vorträge zu verschiedenen Aspekten von hochkarätigen Historikern aus Deutschland und Polen.
Abgerundet wurde das Seminar durch eine Podiumsdiskussion über Migrationserfahrungen mit Vertretern verschiedener Generationen und verschiedener Migrationshintergründe. Anwesen waren neben rund zwanzig Mitgliedern der Historischen Kommission auch zahlreiche interessierte Nichtmitglieder aus Nah und Fern. Hier die Zusammenfassung der Vorträge:
Prof. Dr. Ralph Wrobel: Die Bevölkerungsbewegungen im Kreis Neustadt vom Mittelalter bis zur Neuzeit: ein Überblick
Als Einstieg referierte Professor Dr. Ralph Wrobel über die Anfänge der Migration seit dem Mittelalter. Dabei gibt es für den Kreis Neustadt die Besonderheit, dass auf seinem Gebiet slawisches Altsiedlungsland in seinem Nordosten und deutschrechtliches Neusiedlungsland in seinem Südwesten vereint wurden. Im Süden und im Westen des Kreises waren früher dichte Grenzwälder zwischen den drei verschiedenen Anliegerparteien; der Markgrafschaft Mähren im Süden, dem Breslauer Bistumsland im Westen sowie dem Oppelner Herzogsland Im Nordosten. Als diese gerodet wurden, legten dort alle drei Parteien zur Sicherung ihrer Ansprüche neue Ortschaften an, in denen sie deutschsprachige Siedler ansiedelten. Es ist anzunehmen, dass die sprachliche Situation des Kreises noch bis in das 20. Jahrhundert hinein geprägt war durch das Zusammenleben von Bewohnern mit Wurzeln im Altsiedlungsland, in Mittel- und in Süddeutschland. Ähnlich lässt sich mit der mittelalterlichen Siedlung auch der Übergang von deutschem Recht (vom Neißer Bistumsland her) hin zu lassitischem Recht (im Altsiedlungsland Richtung Cosel) innerhalb des Kreises Neustadt erklären, wo es Mischformen gab. Als später die jährliche Durchschnittstemperatur eine Zeit lang deutlich sank („kleine Eiszeit“), kam es zu Missernten, Pest und Judenverfolgungen, sodass die Bevölkerungszahl entsprechend sank. In der Folge lagen viele Höfe brach und es erfolgte eine Migration von schlechteren Böden auf bessere Böden. Manche Orte (wie z.B. Deutsch Müllmen) wechselten den mehrheitlichen Sprachgebrauch und anfängliche Sprachinseln wichen im Laufe der Zeit einem fließenden Übergang. Im Zeitalter der Gutsherrschaft waren Migrationen von schollenpflichtigen Bauern eingeschränkt. Nach dem Vertreibungsedikt Kaiser Ferdinand I. kam es im 16. und 17. Jahrhundert zu Migrationen jüdischer Familien aus Böhmen und Mähren nach Zülz. In preußischer Zeit immigrierten nicht nur Beamte (und Militärs), sondern auch Kolonisten der friderizianischen Siedlungspolitik in den Kreis Neustadt/OS. Im 19. Jahrhundert gab es erstmals eine große Emigrationsbewegung. Viele Neustädter wanderten nach Amerika aus. Im Laufe der Industrialisierung erlebte Oberschlesien sowohl Zu- als auch Abwanderung. Das Industrierevier profitierte von Zuwanderung. Aus kleinen Dörfern entwickelten sich rasant große Städte wie z.B. Kattowitz. Auf der anderen Seite gab es aber auch arbeitsbedingte Emigration gen Westen. So behandelte bereits ein früheres Seminar die Arbeitsmigration aus dem Kreis Neustadt nach Delmenhorst (teils zeitweise, teils dauerhaft).
David Skrabania, M.A.: Eine Region in Bewegung: Migrationsprozesse aus und nach Oberschlesien im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert
Hier schloss sich das Referat über arbeitsbedingte Migration zwischen Oberschlesien und dem Ruhrgebiet an, ein Thema, mit dem sich der Vortragende David Skrabania an der Ruhr-Uni Bochum beschäftigt. Im westdeutschen Ruhrgebiet war der Verdienst rund 50% höher als im oberschlesischen Industrierevier. Aus diesem Industrierevier wechselten im 19. Jahrhundert die ersten Bergleute in das Ruhrgebiet. Diese wurden darauf erfolgreich in professionelle Anwerbeaktionen eingebunden, um aus Oberschlesien viele ihrer alten Kollegen zu gewinnen. Für diese enorme Migration in das Ruhrgebiet wurden dort extra Zechensiedlungen angelegt, in denen Einwanderer aus ihren schlesischen Heimatorten zusammenlebten und ihre Kultur beibehalten konnten. Neben einer dauerhaften Migration lässt sich auch eine Pendelmigration von jungen Männern beobachten: Für eine Saison oder für ein paar Jahre gingen Oberschlesier in das Ruhrgebiet, um das Familieneinkommen zu verbessern, während die Frauen ihrer Familie daheim die Landwirtschaft betrieben. Häufig war ihr Verdienst aus den Jahren im Ruhrgebiet die Basis dafür, sich später in Schlesien eine Existenz aufzubauen. Als Beispiel für solche „bilokalen Lebenswelten“ dient die Familie des deutschen Fußballstars Miroslav Klose aus Oppeln. Anders sei die Einwanderung aus anderen (nordöstlichen) preußischen Provinzen verlaufen. Während es sich bei den oberschlesischen Arbeitsmigranten hauptsächlich um Männer handelte, von denen später viele in das wirtschaftlich prosperierende Oberschlesien wieder zurückkehrten, sind aus den nordöstlichen Provinzen ganze Dörfer aufgebrochen, sodass jeder Gedanke an Rückkehr von vornherein ausgeschlossen war. Erstaunlicherweise gab es wohl besonders unter den Arbeitern des Ruhrgebietes eine politisch-soziale Emanzipation, die auch die polnische Kultur instrumentalisierte, um die deutsch auftretende preußische Hegemonie anzuprangern. Bei den meist slawischsprachigen oberschlesischen Arbeitern führte vermutlich eine gewisse, aufgrund ihrer abweichenden Sprache erlittene Diskriminierungserfahrung, in Verbindung mit politischen Engagement in der Arbeiterschaft teilweise dazu, sich undifferenziert ebenfalls als Polen zu betrachten. Als Schlesier aufgebrochen kamen sie später als “Polen“ nach Oberschlesien zurück und verbreiteten ihre im Ruhrgebiet erworbenen politischen Ansichten auch unter der einheimischen oberschlesischen Bevölkerung.
Besichtigung des Oberschlesischen Landesmuseums
Dr. Vasco Kretschmann führte uns durch das Oberschlesische Landesmuseum. Es besticht durch liebevoll zusammengetragene typische kleine Dinge aus dem schlesischen Alltagsleben. Es ist so gestaltet, dass es einen chronologischen Überblick über die bewegte Geschichte der Region gibt. Auch die vielschichtige Periode nach dem Ersten Weltkrieg mit der Abstimmung, Teilung und den Aufständen wird anhand der ausgestellten Zeitzeugnisse und Beschreibungen objektiv veranschaulicht. Die aktuelle Sonderausstellung zeigt altes Spielzeug, worunter auch kriegsverherrlichendes war. In Erinnerung bleibt sicher das Foto zweier offensichtlich eng befreundeter Jungen, die als Erwachsene auf verschiedenen Seiten standen – nämlich der Nationalsozialisten und deren Gegner – und nach dem Krieg wieder Kontakt aufgenommen haben.
Dr. Gregor Ploch: Die Vertreibung der Deutschen aus Oberschlesien nach dem Zweiten Weltkrieg
Dr. Gregor Ploch vom Bildungswerk St. Otto Zinnowitz in Usedom sprach über die „Vertreibung“ der Deutschen aus Oberschlesien nach dem Zweiten Weltkrieg. Polnischerseits wird hierbei offiziell von „Aussiedlung“ gesprochen. Dr. Ploch beleuchtete hierbei zunächst Pläne polnischer Politik und Wissenschaft, die bereits auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurückgingen und nach einem möglichen Wiederentstehen eines polnischen Staates, die Übernahme der deutschen Ostgebiete wie Schlesien vorsahen. Diese Pläne wurden während des Zweiten Weltkrieges dann letztlich auch im Zusammenhang mit der von den Siegermächten beschlossenen Westverschiebung Polens auf den Konferenzen von Teheran und Jalta ein offizielles Kriegsziel. Polen musste nach dem Krieg zwar auf seine, von der Sowjetunion annektierten Ostgebiete mit Wilna und Lemberg verzichten, erhielt dafür jedoch deutsche Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie. Die Vertreibung von Deutschen wurde von polnischen Stellen dann geplant und umgesetzt. Bei der Durchsetzung der „Politik der vollendeten Tatsachen“ zum Erlangen einer besseren Verhandlungsposition für die kommende Konferenz von Potsdam im Juli 1945, übernahmen polnische Kräfte eine aktive Rolle bei den noch schnell vorher durchgeführten „Wilden Vertreibungen“ von hunderttausenden Schlesiern, ohne Mandat der Alliierten. Erst bei der dann später stattgefundenen Konferenz in Potsdam wurden geordnete und “humane“ Transfers deutscher Bevölkerungsteile Polens bestimmt. Nicht vertrieben wurden benötigte Fachkräfte und meist slawischsprachige Oberschlesier, die als Polen amtlich verifiziert wurden, sowie die als Reparationsmaßnahme zu Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppten Schlesier. Vor ihrer schließlichen Ausweisung nach Restdeutschland erlitten die Vertriebenen erst noch den Einzug ihres Vermögens, den Einschluss auf engstem Raum in sogenannten „Ghettos“, brutale Lageraufenthalte und meist empfindliche Übergriffe sowie demütigende Schikanen. Eine große Zahl der Betroffenen hat diese Behandlung nicht überlebt.
Dr. Wojciech Dominiak: Die Zuwanderung der polnischen Bevölkerung in den Kreis Neustadt/OS nach dem Zweiten Weltkrieg
Dr. Wojciech Dominiak, Leiter des Regionalmuseums in Neustadt/OS (pl. Prudnik), referierte über die Zuwanderung der polnischen Bevölkerung in den Kreis Neustadt/OS nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Polnischen haben beide auf die Westverschiebung gefolgten menschlichen Tragödien, nämlich sowohl die Vertreibung von Deutschen aus Schlesien als auch die Vertreibung von Polen aus ihren durch den 2. Weltkrieg verlorenen Ostgebieten jenseits der Curzon-Linie (mit Wilna und Lemberg) dieselbe Bezeichnung: nämlich „Aussiedlung“ – eine behördliche Zwangsmigration, definiert als Übertragung des ständigen Wohnsitzes in ein anderes Land. Churchill stimmte Stalin 1943 in Teheran zu, dass die Sowjetunion ihre in der Folge des Hitler-Stalin-Pakts von Polen eroberten Gebiete behält und Polen dafür auf Kosten Deutschlands im Westen entschädigt wird. Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 forderte Stalin als neue Westgrenze Polens die Oder-Neiße-Linie. Ungeachtet des Ausstehens einer endgültigen Grenzregelung und völkerrechtlicher Grundlagen wurden aber bald Aussiedlungen/Vertreibungen im großen Stil vorgenommen. Ca. 4 Millionen Ostpolen und ca. 12-16 Millionen Ostdeutsche wurden hierbei letztlich aus ihrer Heimat vertrieben resp. ausgesiedelt.
Die detaillierte Herkunft der in den Kreis Neustadt eingewanderten Polen hat Dr. Dominiak für jedes einzelne Dorf aufgegliedert. Für die Gesamtheit Oberschlesiens besagt eine Volkszählung von 1948, dass 14% der Bevölkerung aus Zentralpolen kam, 23% aus Polens verlorenen Ostgebieten (hauptsächlich aus dem Westen der heutigen Ukraine) und 63% verbliebene Autochthone (einheimischen Oberschlesier) waren.
Andreas Smarzly: Die „Aussiedlungen“ aus dem Kreis Neustadt/OS in der Zeit der Volksrepublik Polen
Andreas Smarzly schloss sich an mit seinem Referat über die „Aussiedlungen“ der nach den Vertreibungswellen in der Heimat verbliebenen Oberschlesier. Er zeigte zunächst auf, unter welchen Bedingungen es den deutschen Staatsbürgern möglich war, in ihrer nun unter polnischer Verwaltung stehenden Heimat zu verbleiben und welche Konsequenzen das für diese Menschen in den folgenden Dekaden hatte. Er beleuchtete die polnische Gesetzgebung gegenüber den. sog. „Autochthonen“, wie die einheimische schlesische Bevölkerung von den polnischen Behörden bezeichnet wurde, wie auch die Gründe dafür, warum rund 850.000 Oberschlesier nach dem Zweiten Weltkrieg die polnische Staatsangehörigkeit angenommen hatte. Smarzly zitierte hierzu u.a. den polnischen Autor und Kenner Oberschlesiens Franciszek Hawranek, der bereits 1948 als Gründe für einen Verbleib von Schlesiern im neuen polnischen Staat nicht deren politische oder polnisch nationale Gesinnung erkannte, sondern vor allem ihre Verbundenheit mit ihrer schlesischen Heimat und ihren Landsleuten, ihre wirtschaftliche Existenz und die Hoffnung auf politische Änderung (= erneuten Anschluss Schlesiens an Deutschland) herausstellte. Tatsächlich hat sich die Lage der Daheimverbliebenen im kommunistischen Polen nicht verbessert und alteingesessene Schlesier erlebten häufig Schikanen, wie auch kulturelle, politische und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit. Das führte dazu, dass ab Anfang der 1950er Jahre eine dauernde und auf hohem Niveau liegende Ausreise der Oberschlesier nach Westdeutschland begann, die an der Wende der 1950/60er Jahre, an der Wende der 1970/80er Jahre und dann insbesondere an der Wende der 1980/90er Jahre ihre zahlenmäßigen Höhepunkte fand.
Andreas Smarzly beleuchtete des Weiteren die Lage der Vertriebenen und der Aussiedler aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten in den Besatzungszonen des zerschlagenen Deutschen Reiches, aus denen 1949 die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik entstanden sind. Hier erscheint insbesondere die rechtliche Situation der Vertriebenen und der Aussiedler in der Bundesrepublik Deutschland interessant, wo die Vertriebenen mit dem § 116 des Grundgesetzes rechtlich allen anderen Deutschen gleichgestellt wurden, und die Aussiedler wiederum gemäß dem Bundesvertriebenengesetz von 1953 als Heimatvertriebene anerkannt und damit automatisch ebenfalls mit allen Rechten und Pflichten der deutschen Staatsbürgerschaft ausgestattet wurden. Der Referent erklärte zudem die Unterschiede verschiedener Begrifflichkeiten, wie „Heimatvertriebene“ (Vertriebene aus Gebieten, die bis 1914 in Grenzen der Deutschen Reiches und der Österreichisch-Ungarische Monarchie lagen) oder „Spätaussiedler“ (Aussiedler, die nach 1992 in die BRD eingereist sind, nun aber eine kriegsfolgenbedingte Ausreise im Hinblick auf die politischen Veränderungen grundsätzlich positiv nachweisen mussten).
Am Ende seines Vortrages präsentierte Andreas Smarzly das Aussiedlerschicksal seiner eigenen Familie, die 1987/88 nach abenteuerlichen und dramatischen Abläufen und Erlebnissen in der Bundesrepublik Deutschland angekommen ist. Er stellte kurz die Geschichte seiner seit alters her in Oberschlesien eigesessenen Familie vor, zeigte Schicksale von zahlreichen Familienmitgliedern, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in anderen Gegenden des Deutschen Reiches bzw. später der Bundesrepublik Deutschland zogen und sich dort niederließen, wie auch das Leben seiner engsten Familie in der Volksrepublik Polen und die verschiedenen Gründe für die schwierige Entscheidung die Heimat letztlich zu verlassen. Der Vortrag erhielt auch Einblicke in die Herausforderungen der Familie beim Neubeginn im westdeutschen Rheinland-Pfalz, die alltäglichen Kämpfe mit den Behörden auf der Suche nach Arbeit oder Wohnung und die erfolgte Integration der Familie in der westdeutschen Gesellschaft bei gleichzeitiger Pflege ihrer oberschlesischen Traditionen.
Dr. Marek Mazurkiewicz: Vertreibung. Umsiedlung. Vergangenheit. Die Erinnerung an die Vertreibung der Deutschen und Polen nach dem II Weltkrieg aus zeitgenössischer deutsch-polnischer Perspektive
Über die Erinnerung an die Vertreibung der Deutschen und Polen aus heutiger Perspektive sprach Dr. Marek Mazurkiewicz vom Politischen Institut der Universität Oppeln. Für den Kontext der unterschiedlichen kollektiven Gedächtnisse von Deutschen und Polen, sind noch über den Zweiten Weltkrieg und die Bestimmungen von Versailles hinausgehende politische Ursachen mit in den Blick zu nehmen. Besonders wichtig sind freilich zwei Faktoren: Zum einen, dass nach dem Zweiten Weltkrieg mit breitem Konsens ethnische Minderheiten als Konfliktherd angesehen wurden und zur künftigen Friedenssicherung von allen damals Beteiligten Nationalstaaten angestrebt wurden. Zum anderen das massive Expansionsbestreben der Sowjetunion. Stalins bereits angesprochene Politik der vollendeten Tatsachen hatte bereits noch während des Krieges Fakten geschaffen. Diese sind unmissverständlich für Stalins Machtanspruch und seine rigorose Art der Umsetzung: Bereits am 13. Februar 1945, also mehrere Monate vor Kriegsschluss und der Konferenz von Potsdam, begann die von der Sowjetunion betriebene „Repatriierung“ der ostpolnischen Bevölkerung. Auch wurden viele Ost-Oberschlesier im Alter von 17 bis 50 Jahren interniert. Ca. 40.000 deutschsprachige Oberschlesier wurden zwecks Zwangsarbeit als Kriegsentschädigung in die Sowjetunion deportiert. In Potsdam schließlich ging es Stalin um die nachträgliche Legitimierung des bereits Vollzogenen. Vertreibungen von Schlesiern und Ostpolen waren längst Realität und angesichts Stalins starker Position bestand keine Hoffnung auf eine Umkehr. Ab diesem Punkt divergieren deutsche und polnische Erinnerung in einigen Punkten. So geben zum Beispiel polnische Quellen die Anzahl der Ausgesiedelten mit etwa 3,5 Millionen an und deutsche mit etwa 12 bis 16 Millionen. Ungeachtet des Verweises auf eine zukünftige Friedenskonferenz wurden die Grenzbestimmungen der Alliierten im Potsdamer Abkommen vom Nachkriegs-Polen akzeptiert. Von bundesdeutscher Seite hingegen wurde innenpolitisch noch Jahrzehnte lang eine Option auf eine „Wiedervereinigung des dreigeteilten Deutschlands“ postuliert. Wohl, weil die völkerrechtliche Bindung des Potsdamer Abkommens fraglich war und eine Akzeptanz durch die als Wähler umworbenen Vertriebenen nicht zu erwarten war. Diesen innenpolitischen Wahlversprechen entgegen stand freilich die außenpolitische Realität. Nichtsdestotrotz sorgten die in der Bundesrepublik vorhandenen Hoffnungen für Beunruhigung auf polnischer Seite. In Polen wurden die ehemaligen deutschen Ostgebiete ideologisch „wiedergewonnene Gebiete“ genannt und als „urpolnisch“ bezeichnet. Ein anschauliches Beispiel sind im selben Zeitraum aufgelegte Briefmarken: Während es in der Bundesrepublik eine Sonderbriefmarke zu „10 Jahre Flucht und Vertreibung“ gab, gab es in Polen eine zu der „Wiedergewinnung urpolnischer Gebiete“. Als erste Wendepunkte in den Beziehungen beider Länder gelten ein versöhnlicher polnischer Hirtenbrief aus dem Jahre 1965 und Willy Brandts Kniefall von Warschau 1970. Schließlich erfolgte der nach dem Mauerfall möglich gewordene völkerrechtlich bindende Deutsch-polnische Grenzvertrag von 1990, der die bestehenden Staatsgrenzen bestätigt. Unabhängig von den Bestrebungen, die gegenseitigen Beziehungen zu normalisieren, wirken geschichtliche Belastungen und festgefahrene Denkschemata weiterhin fort. Beispiele dafür sind die polnischen Sorgen bezüglich des deutschen Zentrums gegen Vertreibungen und die Forderungen der Preußischen Treuhand. Immer mal wieder irritierende polnische Reparationsforderungen werden aber als rein innenpolitisch motiviert verstanden. Die Erinnerung an Geschichte unterliegt sich verändernden jeweils zeitaktuellen politischen Einflüssen. Literaturempfehlung ist: „Deutsch-Polnische Erinnerungsorte“ von den Herausgebern Hans Henning Hahn und Robert Traba aus dem Schöningh Verlag.
Podiumsdiskussion
Abschließend moderierte Dr. Vasco Kretschmann eine Podiumsdiskussion zum Thema „Oberschlesier: Menschen mit Migrationshintergrund? – Identitäten im Vergleich“. Dabei kommen exemplarisch abhängig von Zeit und Ort unterschiedliche persönliche Erfahrungen verschiedener Generationen aus verschiedenen Perspektiven zu Wort. Aus dem Neustädter Museum über Skype zugeschaltet berichtete die heutige Neustädterin Kazimiera Zator über die grausamen Umstände ihrer Vertreibung aus Ostpolen in der heutigen Ukraine. Auf ihrer Zugreise über Kattowitz im März 1945 sah sie viel Militär und unzählige Tote. Bei ihrer Ankunft in Neustadt herrschte eine große Unsicherheit und ihre Familie musste sich eine Wohnung mit fremden Leuten teilen.
Unser Mitglied Werner Matulla aus Gütersloh hat seine Kindheit in Neustadt verbracht. Bis heute besucht er mit seiner Frau regelmäßig seine Heimatstadt und pflegt Freundschaften mit heutigen Neustädtern. Wie nahezu alle damaligen Bewohner Neustadts floh seine Familie im März 1945 vor der Front in die Sudeten. Die Straßen waren angesichts der großen Anzahl von Flüchtlingen verstopft. Als seine Familie im Mai zurückkehrte, musste sie noch in Tschechien mitansehen, wie deutsche Soldaten massakriert wurden. Zuhause fanden sie ihre Wohnung zertrümmert vor. Nach wenigen Monaten ereilte sie der Befehl, ihre Wohnung aufzugeben und im Deutschenghetto in der Fischerstraße Quartier zu nehmen. Dort teilten sie sich mit 22 Leuten rund 60 qm. Man bekam mit, dass die Frauen aus dem Ghetto wiederholt Opfer von Vergewaltigungen wurden. Am 6. Juli 1946 wurde seine Familie von polnischen Behörden aus der Heimatstadt vertrieben. Auf der langen entbehrungsreichen Zugreise in den Westen sind viele Menschen gestorben. Ihre Leichen wurden einfach am nächsten Bahnhof abgeladen. In Westfalen war es mit den Einheimischen nicht immer einfach. Seine Mutter sagte häufig, manche Westdeutsche meinten wohl, die Vertriebenen hätten den Krieg alleine verloren. Seine älteren Brüder haben mit ihm die Erinnerung an die Neustädter Heimat wachgehalten.
Roza Zgorzelska ist Mitglied des Stadt- und Gemeinderates in Oberglogau aus den Reihen der Deutschen Minderheit, Mitglied im Vorstand der Deutschen im Oppelner Schlesien und Leiterin des Heimatmuseums in Friedersdorf. Sie sprach für die Daheimgebliebenen. Zwar hatte ihre Familie im März 1945 ebenfalls versucht zu flüchten, aber „der Kessel war zu“ (wegen der Kampfhandlungen von mehreren Seiten waren sie eingeschlossen und der Fluchtweg abgeschnitten). Ihre Großmutter hat 1946 dann allein für ihre gesamte Familie einen Antrag auf polnische Staatsangehörigkeit unterschrieben. Also war es nicht ihre eigene freie Entscheidung, aber im Nachhinein ist sie sehr froh, dass sie mit all ihren Angehörigen ihre Heimat behalten konnte. In der ersten Zeit wurden Deutschsprachige bespitzelt. Heute freut sie sich, dass ihr Museum eine Brücke zu den Wurzeln Schlesiens schlägt und von alter deutscher Kultur in Oberschlesien zeugt.
Dr. Achim Himanek aus Neuwied ist in Neustadt aufgewachsen und erst im Studentenalter ausgesiedelt. Sein Vater hat noch als Kind das Kriegsende erlebt und wurde gezwungen, Vieh nach Russland zu treiben. Allerdings gelang es ihm, kurz hinter Gleiwitz wieder wegzulaufen. Nur weil der Vater während seines polnischen Militärdienstes Briefe an seine in die Bundesrepublik ausgereiste Freundin schrieb, wurde er der Spionage bezichtigt. Nach fünf langen Jahren Haft als Unschuldiger in einem Warschauer Gefängnis gelang es dankenswerterweise einem jüdischen Anwalt, seine Entlassung zu bewirken. Danach war er entsprechend eingeschüchtert. Erst nach Brandts Kniefall (1970) traute er sich, für die Familie einen Ausreiseantrag zu stellen. Im rheinland-pfälzischen Sinzig angekommen, hatte Dr. Achim Himanek Glück, über seinen schon 1957 ausgereisten gleichaltrigen Cousin sofort Anschluss zu finden. Auch wenn er mittlerweile bei seiner Familie in Neuwied beheimatet ist, erforscht er die spannende Geschichte seiner schlesischen Wurzeln.
Sebastian König aus Hardegsen gehört quasi schon der Enkelgeneration an und wurde bereits in der Bundesrepublik geboren. Er erinnert sich daran, dass seine Familie in Niedersachen sehr bemüht war, immer hochdeutsch zu sprechen. Geschichten von früher sind erst später und ausschließlich familienintern erzählt worden. Nach dem Motto „Heimat ist, wo die Familie ist,“ ist er bei Frau und Kindern in Hardegsen zuhause und fühlt sich gleichzeitig mit der Herkunft seiner schlesischen Familie verbunden. Regelmäßig besucht er seine Familie in Deutsch Rasselwitz.
Vielen Dank an dieser Stelle unserem engagierten Gastgeber Dr. Vasco Kretschmann, den Organisatoren, unseren beiden Vorsitzenden Prof. Ralph Wrobel und Andreas Smarzly, den Teilnehmern aus Polen, die eine weite Reise auf sich genommen hatten, Dr. Gregor Ploch für seine Übersetzungen, allen Vortragenden und Podiumsbeteiligten für dieses außergewöhnlich interessante Seminar!
Protokoll der Jahreshauptversammlung 2019
am Sonntag, den 05. Mai 2019 im Haus Oberschlesien in Ratingen.
TOP 1: Begrüßung
Professor Ralph Wrobel begrüßte die fünfzehn stimmberechtigten Teilnehmer der diesjährigen Hauptversammlung im Haus Oberschlesien. Glücklicherweise war unsere ehemalige Schatzmeisterin Rosemarie Matulla-Jablonka mit dabei, die letztes Mal aus gesundheitlichen Gründen verhindert war. Gründungsmitglied Herbert Schindler und Webmaster Christian Sarnes waren auf dem Seminar, konnten aber leider nicht bis zur Versammlung bleiben.
TOP 2: Berichte
Mit Bedauern wurde zur Kenntnis genommen, dass unser Kulturreferent für Oberschlesien Dr. Vasco Kretschmann demnächst nach Berlin wechseln wird zur Deutschen Kriegsgräberfürsorge. Sein/e Nachfolger/in wird voraussichtlich Ende dieses Jahres bekannt gegeben. Wie Ralph Wrobel mitteilte, wurde unser Buch „Die Altkreise Zülz und Neustadt Karolinischen Kataster von 1722/26“ 2018 herausgegeben und während der „Historischen Woche“ in Oberschlesien im Mai in Neustadt vorgestellt. Es erfreut sich seitdem einer sehr guten Nachfrage. Damit ist ein Projekt, an dem viele Mitglieder über mehrere Jahre lang gemeinsam gearbeitet haben, erfolgreich abgeschlossen.
Andreas Smarzly berichtete über die von ihm initiierte „Historische Woche“ der Historischen Kommission in Schlesien Ende Mai 2018 und von der Veröffentlichung seines Bildbandes „Oberschlesisches Dorfleben über 100 Jahre im Bild – Historische Fotografien aus Körnitz“. Dieses wurde von der Ortsgemeinde Körnitz, der Stadt- und Gemeinde Krappitz, des Kreises Krappitz und vor allem durch die HKKNOS finanziert und ist während der „Historischen Woche“ im Rahmen eines gut besuchten Dorffestes am Fronleichnam in Körnitz vorgestellt worden. Aufgrund der reißenden Nachfrage ist der Bildband mittlerweile beinahe ausverkauft und man könnte an einen Nachdruck denken oder gar an eine Fortsetzung. Um alle Bücher aus unserer Schriftenreihe der Nachwelt zu überliefern, haben beide Vorsitzenden Exemplare an verschiedene renommierte Bibliotheken in Deutschland, Polen, Tschechien, Österreich und den USA verschickt.
Die „Historische Woche“ war durch mehrere Vorträge und Buchpräsentationen gekennzeichnet, wie auch durch eine Konferenz über den oberschlesischen Landadel in Oberglogau. Mit sechs Vorträgen und Übersetzungen ist diese Konferenz sehr gut gelungen und hat entsprechend in der Presse ein breites Echo gefunden. Das deutsche Programm im polnischen Fernsehen „Schlesien Journal“ hat einen Bericht gebracht, zu dem ein Link im Rundbrief führt.
Im Rundbrief 01/2019 https://hkknos.eu/wp-content/uploads/2019/02/Rundbrief_Okolnik_2019-01.pdf findet sich ein ausführlicher Bericht zur „Historischen Woche“ von 2018.
Professor Wrobel würdigte hierbei mit bewegenden Worten das enorme Engagement des zweiten Vorsitzenden Andreas Smarzly, der u.a. den Großteil der organisatorischen Arbeit für die in den Jahren 2014, 2016 und 2018 durchgeführten „Historischen Wochen“ der HKKNOS in Schlesien, wie auch für die Organisation unserer Studienfahrten in den letzten Jahren, geleistet hat.
Sebastian König dankte gleich am Anfang seines Berichts als Schatzmeister seiner Vorgängerin Rosemarie Matulla-Jablonka dafür, wie aufgeräumt er die Buchführung von ihr vorgefunden hat. Da er die Infrastruktur in seinem väterlichen Steuerbüro für den Verein nutzen kann, gibt es jetzt Software-Unterstützung und die ehemalige aufwendige Kassenführung wurde umgestellt zugunsten ausschließlichen Girokontoverkehrs. Aufgrund der Bücherveröffentlichungen hat das Jahr 2018 insgesamt mehr gekostet als eingebracht. Dennoch ist genug Geld verblieben für zukünftige Projekte. Die Vereinsfinanzen sind gesund. Auch wenn es den Haushalt des Jahres 2019 betrifft, wurde bereits jetzt festgestellt, dass das diesjährige Seminar trotz der vielen eingekauften hochkarätigen Referenten, dank der finanziellen Unterstützung durch den Kulturreferenten für Oberschlesien, kein Loch in die Kasse der HKKNOS reißen wird. Kai Sauer und Dr. Achim Himanek haben die Kasse geprüft und keine Beanstandungen gefunden. Der Schatzmeister wurde einstimmig entlastet bei einer Stimmenthaltung des Amtsinhabers.
Den Bericht des Webmasters übernahm Professor Wrobel für Christian Sarnes. Grundsätzlich herrscht Zufriedenheit mit der Internetseite. Lediglich ein aktuelles Problem besteht, das sich nicht so einfach lösen lässt. Aufgrund eines notwendigen Updates wird das automatische Plug-In für die jeweils zweite Sprache nicht mehr optimal unterstützt, was zu einem hohen Aufwand beim Hochladen neuer Inhalte führt. Ob es eventuell ein Hilfsprogramm gibt, das dieses Problem zumindest minimiert, möchte Robert Hellfeier erkunden[1]. Bislang reicht der Speicherplatz unserer Cloud noch aus. Perspektivisch wird appelliert, beim Hochladen von Dateien, insbesondere von Bilddateien, die Dateigröße zu komprimieren, damit die Cloudkapazität noch lange ausreicht. Jeder ist willkommen, für die Regionalgeschichtsforschung interessante Dateien wie zum Beispiel alte Ortsaufnahmen hochzuladen und somit anderen Nutzern zur Verfügung zu stellen. Dafür kann man Christian Sarnes einfach per E-Mail um einen Upload-Code bitten. Es sollen weitere Verlinkungen ergänzt werden zum Ortsfamilienbüchen nach den einzelnen Ortschaften im Kreis. Paul Dittrich hat übrigens sein Ortsfamilienbuch von Leuber mittlerweile online gestellt.
TOP 3: Entlastung der ehem. Schatzmeisterin Rosemarie Matulla-Jablonka
Bereits letztes Jahr wurde die hervorragende Arbeit von unserer langjährigen verdienten ehemaligen Schatzmeisterin Rosemarie Rosemarie Matulla-Jablonka gewürdigt. Dieses Jahr konnte sie unseren herzlichen Dank und eine Abschiedsgeschenk des Vereins persönlich entgegennehmen. Mit ihrem Mann Werner Matulla hat sie insgesamt 14 Jahre dieses Amt optimal gemeistert und über die Buchhaltung hinaus als Vorstand und Mensch für die Geschicke des Vereins in unverwechselbarer Art mit Charme und Umsicht gesorgt. Danke! Wegen ihrer gesundheitsbedingten Abwesenheit im letzten Jahr wurde die Kassenprüfung von 2017 nun nachgeholt durch Monika Rose und Maik Gliese. Ihre Entlastung erfolgte einstimmig bei Enthaltung der ehemaligen Amtsträgerin.
TOP 4: Forschungs- und Publikationsprojekte
Auf der letzten Jahreshauptversammlung wurde beschlossen, ein Angebot für die Transkription der beiden erworbenen Landbücher des Herzogtums Oppeln-Ratibor aus dem 16. Jahrhundert durch Stefan Guzy, dem Herausgeber des Urbarium von Cosel, einzuholen. Leider ist dieser aufgrund seines Engagements als Gastprofessor an der Kunsthochschule in Halle für unabsehbare Zeit nicht in der Lage an diesem Projekt mitzuarbeiten. Deshalb wurden folgende Möglichkeiten erörtert, um diese Projekt voranzutreiben: Andreas Smarzly versucht Kontakt zum Professor Stibor aus Tschechien herzstellen, der bereits andere Landbücher entziffert hat, Viktor Pordzik spricht eine ihm bekannte Wissenschaftlerin aus Nordböhmen an, die über sächsische Landbücher geschrieben hat, Dr. Achim Himanek versucht, den Brünner Museumsdirektor zu fragen, Dr. Wojciech Dominik wird gebeten, seine Kontakte in Troppau zu bemühen, und Robert Hellfeier fragt den Historiker Roman Sękowski an, ob er an der Mitarbeit am Projekt interessiert wäre. Dabei geht es um Anfragen bezüglich der Transkription und Übersetzung den kompletten Landbücher, da die Beschränkung auf das Neustädter Gebiet wegen ihrer Gliederung auch nach Familien, deren Güter sich über verschiedene Regionen erstreckten, praktisch nicht funktionieren würde. Es besteht die Hoffnung, dass ein solches, grenzüberschreitendes Projekt eventuell finanziell gefördert werden könnte.
Da zahlreiche, Schlesien betreffenden Jahrbücher und Periodika in den letzten Jahren eingegangen sind und nicht mehr herausgegeben werden, stellte Andreas Smarzly seine Idee vor, ein Buch herauszugeben, das mehrere populärwissenschaftlichen Arbeiten bzw. Aufsätze zu verschiedenen Themen zur Geschichte des Kreises Neustadt enthalten soll. So soll die o.g. Lücke, zumindest was den Kreis Neustadt betrifft, gefüllt und gleichzeitig sollen alle interessierten Mitglieder und Freunde der HKKNOS in ein gemeinsames Projekt eingebunden werden. Andreas Smarzly zeigte zahlreiche aktuelle Arbeiten von Vereinskollegen auf, die einen hohen wissenschaftlichen Wert aufweisen, doch bisher nirgendwo publiziert werden konnten. Das Projekt mit dem bisherigen Arbeitstitel „Beiträge zur Geschichte des Kreises Neustadt/OS“, das selbstverständlich zweisprachig erscheinen soll, könnte dann 2020 oder 2021 erscheinen, nachdem alle Mitglieder und Freunde der HKKNOS zur Abgabe von Aufsätzen aufgerufen wurden und genügend Zeit zum Forschen und Verfassen von Texten hatten. Die Auswahl der Texte für das neue Buch würde dann anlässlich der nächsten Jahreshauptversammlung im Herbst 2020 erfolgen, wo auch über die Auflagehöhe und weitere Einzelheiten des Druckes entschieden wird. Eine Fortsetzung dieser Reihe in unregelmäßigen Abständen wäre dann nach Lage der vorliegenden Arbeiten nicht auszuschließen. Die Idee des zweiten Vorsitzenden fand sehr positiven Anklang unter den Anwesenden. Alle interessierten Mitglieder werden gebeten entsprechenden Texte beim Vorstand einzureichen. Einzelheiten zur Edition der Texte siehe im beiliegenden Aufruf.
2020, genau 75 Jahre nach Kriegsende, soll dann passenderweise auch endlich Johannes Preisners Vertreibungsbuch veröffentlicht werden. Dafür übergibt er sein Manuskript in der aktuellen deutschen Version zur Korrektur an Professorin Małgorzata Swider, die an der Universität Oppeln über Geschichte des 20. Jahrhunderts lehrt und bereits über die Thematik geforscht und publiziert hat. Einfließen soll danach auch die Einführung von Dr. Wojciech Dominiak und ein Kapitel über die Vorgeschichte von Peter Ernst.[2] Für Johannes Preisners noch im Prozess befindliches Franziskanerbuch erwägt der Verein seine Unterstützung für eine polnische Version.
TOP 5: Studienfahrt 2019: „Durch das wilde Schlesien: Von Grünberg nach Kattowitz“
Abschließend wurde die diesjährige Studienfahrt „Durch das wilde Schlesien: von Grünberg nach Kattowitz“ vom 25. August bis 1. September 2019 angesprochen. Die Anmeldezahl gestaltet sich erfreulich, wobei weitere Anmeldungen gerne angenommen werden. Der alte Busanbieter ist insolvent. Glücklicherweise hat Andreas Smarzly vorher einen neuen Anbieter ausgesucht, der nicht nur günstiger arbeitet, sondern garantiert, einen uns aus früheren Reisen bekannten und sehr erfahrenen Busfahrer einzusetzen. Der Startpunkt bleibt wie früher in Wadersloh. Die Wiedersehensfeier am 31.08.2019 wird dieses Jahr in der Pfarrscheune im Friedersdorfer Heimatmuseum stattfinden, wo dann das Buch „Kulinarik in Schlesien“ vorgestellt wird, verbunden mit einer Verköstigung. Alle Mitglieder (insbesondere die mit Wohnsitz in Polen) werden dazu herzlich nach Friedersdorf eingeladen!
TOP 6: Sonstiges
Die Vereinssatzung wird dahingehend aktualisiert, dass nicht nur der Schatzmeister, sondern künftig der gesamte Vorstand von der Versammlung entlastet wird.
Unser Buchbestand soll inventarisiert werden.
Da Professor Wrobel nächstes Jahr ein Freisemester in Ostasien plant, liegt es aus organisatorischen Gründen nahe, die nächste Jahreshauptversammlung erst im September 2020 einzuberufen und das Programm eher schlicht zu gestalten. Sie wird wohl wieder in Neustadts Partnerstadt Northeim stattfinden.
Peter Ernst regte an, in einem Ordner innerhalb der Cloud Materialien zu Neustadt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts anzulegen mit Zeitdokumenten aus Kultur und Politik in der Weimarer Zeit und in der Zeit des Nationalsozialismus. Wenn bald Johannes Preisners Buch über die Vertreibung herausgegeben sein wird, entsteht automatisch eine Lücke zwischen den von der Kommission bereits in der Vergangenheit behandelten Perioden und der Nachkriegszeit. Dass ausgerechnet die nationalsozialistische Zeit unbehandelt bliebe, wäre zwar zufällig, aber nichtsdestotrotz nicht optimal. Glücklicherweise verdanken wir unserem Mitglied Günter Hauptstock mit seinem Band „Beiträge zur Geschichte der Stadt Oberglogau IV“ von 2016, dass dieser Zeitabschnitt für Oberglogau schon behandelt ist. Für Neustadt steht diese regionalgeschichtliche Aufarbeitung jedoch noch aus. Den wenigsten ist bekannt, dass es in der Fränkel-Fabrik eine Außenstelle des KZs Auschwitz gab, wo ungarische Jüdinnen Zwangsarbeit leisteten. Es wird daher appelliert, Zeugnisse zu teilen einerseits über positive Erscheinungen, die die Aufbrüche des 20. Jahrhunderts in Neustadt und seinem Kreis bewirkt haben – zum Beispiel kultureller, sozialer oder demokratischer Art (zum Beispiel Avantgarde, Jazz, Frauen- oder Arbeiterbewegung etc.) – und andererseits darüber, wie sich die Machtübernahme der Nationalsozialisten und der sukzessiven Gleichschaltung in Stadt und Kreis manifestiert haben. Einfache Beispiele könnten verschiedene Stadtpläne aus unterschiedlichen Epochen sein, mit Umbenennungen nach Hohenzollerngrößen, Politikern aus der Weimarer Republik wie z.B. Rathenau oder Erzberger und dann aus der NS-Zeit. Ferner Adressverzeichnisse mit Stellen wie der Gestapo. Zeitungsartikel über die Niederschlagung von Sozialdemokraten oder Oppositionellen, der Diskriminierung von Juden oder Randgruppen, über Verniedlichung von Euthanasie, Verfolgungen, tendenziöse Berichterstattungen über Gerichtsprozesse etc. Wenn es gutes Anschauungsmaterial zur Verfügung gibt, kann man daraus zusammen etwas machen. Zum Beispiel Aufsätze verschiedener Mitglieder über bestimmte Teilaspekte anhand von konkreten Einzelschicksalen von Personen mit Neustädter Hintergrund.
Protokoll: Peter Ernst
Übersetzung ins Polnische: Agnieszka Skrzypulec
[1] Robert Hellfeier konnte das Problem inzwischen lösen. Danke!!!!
[2] Johannes Preisner hat inzwischen um Übersendung aller Buchbestandteile gebeten und will zuerst selber eine korrigierte Version erstellen.